Montag, August 30, 2004

Fernost-Touristen-Bingo

So - ich fühle mich wie in einem Strategie-Computer-Spiel. Erstmal gibt es auf der Karte einen kleinen sichtbaren Ausschnitt: Die Stelle, wo man ausgesetzt wurde. Je weiter man sich von dort fortbewegt, um so größer wird die sichtbare Fläche und das Schwarz weicht zurück; zwar langsam, dafür stetig.

Ich habe mich also zu Fuß immer weiter von meinem Raum gewagt und schon mal die wichtigsten touristischen "Stimmt also"- und "Da-sieht-man-mal"-Erlebnisse gehabt. Ich möchte sie mal in loser Reihenfolge aufzählen und habe sie visuell undokumentiert gelassen, da sie sowieso aus Reiseführern und vox-Reisemagazinen bekannt sind:

- Fährräder und daraus zusammengesetzte Verkehrsmittel in allen Variationen und Mengen sowie mit allen nur erdenklichen Beladungen.
- Die sprichwörtlichen "Gegensätze zwischen Arm und Reich" (wird in die Touristen-Etymologie-Sammlung aufgenommen); dargestellt am Beispiel von Garküchen und Wohn-Kaschemmen, an denen der Transrapid (hier: Maglev; der Name lässt eher auf eine chinesisch-französische als chinesich-deutsche Kooperation denken) vorbeirauscht.
- Hühner und sonstige eher ungewohnte Lebensmittel in besagten Garküchen ausliegend.
- Herrschaften, die einem Uhren und sonstiges West-Gedöns andrehen wollen (´Xiexie´).
- Niedliche chinesische Kinder ("Biewel"), die einen erfreut anlachen; wahrscheinlich, weil man so lustig aussieht.
- Billigste Preise, wohin man schaut (ich denke die ganze Zeit: wie kann ich in diesem Land mit diesen Leuten Geld verdienen?; wäre doch dumm, wenn man die Kostenvorteile hier nicht nutzen würde. Vorschläge oder unbefriedigte Konsum-Bedürfnisse eurerseits?).

Ihr seht, einen beträchtlichen Teil der Kästchen habe ich auf meiner Bingo-Karte bereits abhaken können. Einige Dinge, die man erwartet, lassen jedoch auf sich warten. Z.B. habe ich erst ca. einen Chinesen gesehen, der herzhaft auf den Bürgersteig gerotzt hat. Scheint also doch keine so verbreitete Sitte zu sein. Allerdings - so sagte die herzige Amerikanerin, deren Bekanntschaft mir der Flug nach Dubai verschafft hat - spricht man hier vom sog. ´Dragon of the Morning´. Da ich in der Früh meistens noch geschlafen habe (oder heute: eingeschlafen bin), kann es sein, dass ich dieses Spektakel verpasst habe. Jedenfalls waren die Bürgersteige wieder trocken, als ich losgegangen bin.

Was ich ebenfalls nicht gesehen habe, sind die Seidenblusen, die man in unseren heimischen Asia-Läden als typische chinesische Tracht erwerben kann (mit Steh-Kragen, wohlbemerkt). Vielleicht trägt man sie woanders oder zu anderen Zeiten, jedoch nicht hier und jetzt. Bekleidungstechnisch bieten sich dem Durchschnittsbürger dieser Gegend noch nicht so viele Ausdrucksmöglichkeiten der eigenen Persönlichkeit, bzw. dem, was man dafür hält. Diejenigen, die anders aussehen, sind entweder Geschäftsleute oder Erinnern mit ihren T-Shirts an das Schaffen der New York Mets oder daran, dass von Dutch gerade unheimlich viel Kohle macht (leider nicht mit ihnen).

An nennenswerten Sehenswürdigkeiten habe ich noch nicht so viel zu bieten. Ich finde den Alltag noch bestaunenswert genug. Deswegen habe ich mich ziellos vage Richtung Bund bewegt. Als ich mir überlegt habe, mal wieder zurück zu gehen und deshalb - meinem soliden Orientierungssinn folgend - rechts abbog, stand ich schon fast wieder vor meiner Haustür. So kann´s gehen. Vielleicht wäre ein Blick auf die Karte doch nicht schlecht gewesen (an dieser Stelle sei euch gedankt, die ihr mir den Reiseführer zum Geburtstag geschenkt habt).

Als ich vor einem Messegebäude ein Plakat sah, das eine deutsche Textilmesse verhieß, dachte ich (gemäß der einen Zeile aus T. Gerhards Ballermann-Film, der seine Entstehung rechtfertig): "Endlich normale Leute" - aber leider geht die erst morgen los...

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