Mittwoch, September 29, 2004

Mondfest und Nationalfeiertag

In meiner Doppelrolle als Student und Tourist war ich am heutigen - immer noch sonnigen und warmen - Tag an der Stadtmauer und den Ming-Gräbern in Nanjing. Da bekanntlich zur Zeit das Mondfest begangen wird, ist heute der Unterricht ausgefallen. Am ersten Oktober ist der chinesische Nationalfeiertag und darauf sind wiederum einige Tage frei. Die mehrtägigen Feiertage wurde in erster Linie eingeführt, um den Konsum an diesen Tagen zu erhöhen und die Rechnung geht bestimmt auf. Hier geht alles nur um Konsum!


Montag, September 27, 2004

Copyright in China

Got this Chinese chick, had to leave her quick
'Cause she kept bootleggin´ my shit - man

Lyrics: Jay Z - Girls, Girls, Girls - The Blueprint

12. Fachjargon nur in Ausnahmefällen benutzen

Gerade habe ich einige Vorschläge zu Kenntnis genommen, die das eigene Deutsch verbessern sollen. Davon war folgender Punkt 12:

12. Fachjargon nur in Ausnahmefällen benutzen.

Die Texte werden sonst schnell schwer verständlich und auch zu lang. Auch hierzu ein Beispiel:

Jargon: "Laien, d.s. im gegebenen Fall Personen ohne medizinisch fachliche Kompetenz,diagnostitizieren ihre eigene Krankheit oder die anderer Personen im Sinne eines überwiegenden intersubjektiv angenommenen Krankheitsverständnisses, das in einem wachsenden Umfang kognitiv begründet, jedoch im Kern auch sozial kodeterminiert ist. Jede von Laien gestellte Krankheitsdiagnose über ein Kranksein ist milieugebunden und reicht von der Bagatellisierung bis zur Hypersensibilisierung."

Kürzer: "Medizinische Laien beurteilen Krankheit je nach Person und sozialem Umfeldverschieden, wobei sie echte Krankheiten sowohl verharmlosen als auch übertreiben."

Davon abgesehen, dass dieser Tip natürlich sehr wertvoll ist, finde ich den Inhalt des Beispiels sehr interessant. Es ist wieder unglaublich, wie subjektiv wir uns und unsere Umwelt wahrnehmen. Hoffentlich kann man sich immer mehr davon befreien. Vielleicht hat das auch mit dem gerade angesprochenen Kommunikationsverhalten zu tun?

Andere Länder, andere Kommunikations-Sitten

Ich habe eine Frage an alle, die sich längere Zeit in einem asiatischen, arabischen (oder auch persischen) Land aufgehalten haben. Wie ich bereits mehrmals erwähnt habe, wird hierzulande eher lautstark kommuniziert. Ähnliches Kommunikationsverhalten habe ich auch bei arabischen Leuten gesehen. Auch in der Öffentlichkeit unterhalten sie sich mehr als angeregt miteinander.

Wenn das bei uns Nordeuropäern der Fall ist, handelt es sich zumeist um Belange von großer Wichtigkeit oder persönlicher Bedeutsamkeit, wenn in dieser Tonlage miteinander geredet wird.

Mir stellt sich damit die Frage, ob bei Asiaten und Arabern mehr persönliche Schicksalsschläge vorkommen als bei uns oder ob Dinge, die wir als nicht wichtig abtun, als sehr bedeutsam wahrgenommen werden. Leider konnte ich bislang den Inhalten nicht folgen, aber vielleicht ist es einem von euch mal gelungen...

Mir ist klar, dass es schwer ist, solche Dinge vom Einzelfall abstrahiert zu betrachten. Aber es ist nunmal eine Tatsache, dass hier Unterschiede in der Kommunikation vorliegen.

Mittwoch, September 22, 2004

Barrow, Alaska

Damit wir als Autoren nicht ständig im Mittelpunkt unseres bescheidenen Blogs stehen, poste ich ein paar Bilder meines alten Marine-Kameraden Torsten Sachs, der sich seit einiger Zeit am Barrow Arctic Science Consortium aufhält.





Und ich dachte schon, ich sei weit von der Zivilisation entfernt, aber es geht auch weiter und kälter. Allerdings reizt es mich schon, mir das anzuschauen. Vielleicht sollte ich mich einladen!

Die große Brücke in Nanjing

Hier gibt es eine sehr große Brücke über den Jangtse und wie man in diesem Artikel in der New York Times lesen kann, gibt es viele Menschen, die springen wollen und einen, der sie davon versucht abzuhalten. Woche für Woche. Ich habe ihn noch nicht gesehen, aber werde am Wochenende hinfahren und nach ihm schauen.

(Der NYT link generator funktioniert gerade nicht. Sobald es geht, werde ich den richtigen link einfügen. Mit dem jetzigen muss man registriert sein: Plainvanilla, plainvanilla77)

Samstag, September 18, 2004

Iran vs. China

Da Iran und inzwischen China zu signifikanten Nationen in unserem Blog geworden sind: ein kurzer Vergleich. In beiden Ländern sind größere Teile der Bevölkerung mit der Regierung, den Wertvorstellungen, dem politischen System, ihren Rechten nicht einverstanden und sie wollen einen Wechsel.

Anscheinend - und hier frage ich nach Gründen - hat das unterschiedliche Konsequenzen. Während man im Iran offensichtlich in die Opposition geht und das politische System wohl auch brachial ändern würde oder das zumindest versucht hat, findet dieser Umwälzungsprozess hier in China unter der Oberfläche der Medien und der öffentlichen Meinung statt.

Auch ist die Führung nicht so offensichtlich gespalten, wie das im Iran der Fall ist.

Liegt das an dem, was man gewöhnlich als Mentalität bezeichnet (also in der Bevölkerung begründet) oder eher an der Art der Unterdrückung und der Herrschaft der politischen Führung?

Shanghai Despot Chicken

Ok, einen habe ich noch, dann reicht´s vorerst mit den lustigen Namen. Aber der hier ist gut: Shanghai Despot Chicken...

Freitag, September 17, 2004

Nanjing Boomstar

Heute ein paar kleine Beobachtungen aus dem Alltag: In vielen Geschäften steht an der Kasse eine goldene Katze, die mit dem linken Arm wackelt. Wahrscheinlich soll das Reichtum etc. herbeiwinken. Wenn einer unserer werten Leser Näheres weiß, bitte Bescheid sagen. Marci vielleicht? Ich werde mich auch informieren.

Dann gibt es hier Tankwagen, die im großen Stil die Straßen mit Wasser besprengen. Dazu beschallen sie die Umgebung mit ziemlich nerviger - weil monotonaler elektronischer - Musik. Ich bin mir noch nicht klar, ob dass zu Reinigungszwecken geschieht, denn der Schmutz wird nicht weg- sondern nur bespült. Auch hier gerne Hinweise...

Dann war ich kurz im Wal-Mart, wozu ich nur sagen kann, dass ich das Angebot vor allem deshalb erstaunlich finde, als hier vor zehn Jahren noch mit Essensmarken der Regierung bezogen wurde, was an Nahrungsmitteln gerade da war.

Noch ein keiner Preis-Check: Dose Cola 25 cent, Busfahrt 20 cent, CD 60 cent. Wetter-Check: immer noch sommerlich warm, Polo-Hemd, ab und an erfrischender Regen. Ich hoffe, der Winter wird auf seine Art ebenso angenehm. Sprach-Check: mit 这个 (zhe ge = das da) kann man alles kaufen und bestellen, wenn man drauf zeigen kann; allerdings ist es wenig elegant - aber Hauptsache satt geworden. Dienstleistungs-Check: Bedienung zu Kunde gestern im Restaurant: 7/5. Alles ok!

Schließlich noch ein kleines Bild aus der Umgebung - die Werbung für die Dienste einer Rechtsanwaltskanzlei (übrigens direkt neben der Polizeistation). Während man bei uns in dieser Branche um Diskretion und Zurückhaltung bemüht ist, zeigt man hier, was man hat und nennt das auch noch BOOMSTAR. Das ist aber sehr typisch für Übersetzungen aus dem Chinesischen; sie entbehren meistens nicht einer gewissen Komik.



Mittwoch, September 15, 2004

Löcher in den Firewall schlagen

Eine der interessanten Internet-Einsichten hier in China ist für mich, dass es im Internet keine wirkliche und wirksame Kontrolle geben kann. Zwar versucht die Regierung, mit Hilfe eines nationalen Firewalls die Bevölkerung davon abhalten, Inhalte abzurufen, die sich nicht für richtig hält.

Aber das ist unmöglich. Es ist wie ein Drache, dem ein Kopf abgeschlagen wird und dafür zwei nachwachsen. Bekanntlich ist meistens Blogger.com geblockt (u.a.). Gestern ging´s auf einmal, heute wieder nicht. Aber es gibt immer ein weg. Z.B. habe ich darauf hin bei einem chinesischen Blogger gelesen, wie´s geht:

nile provides a new way to access blocked web sites in China. It's no neccessary to set up any proxy, just extend a url with such a domain name (.nyud.net:8090), e.g. if you want to access cnn.com, just type http://www.cnn.com.nyud.net:8090. It's fast and stable to access most of the blocked site in China.

Zur Zeit ist China eine Mischung aus DDR und USA...

Samstag, September 04, 2004

Weimarer Bibliothek abgebrannt

Wie ihr sicherlich in den Nachrichten gehört habt, ist die Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar teilweise abgerannt. Diese ist weiland von Goethe eingerichtet und geleitet worden und gilt wahrscheinlich zu Recht als Wiege und Hort der Deutschen Klassik und Geistesleistung.

Obwohl das kulturgeschichtlich eine tragische Angelegenheit ist, lässt es uns vielleicht noch mal daran denken, uns nicht ständig auf Leistungen Einzelner vor einigen Jahrhunderten zu berufen, sondern für die Gegenwart und vor allem die Zukunft etwas aufzubauen.

Freitag, September 03, 2004

Denkt dran: Notvorrat anlegen!

Das Verbraucherschutzministerium warnt: Nicht zu sorglos in den Tag hineinleben. Wie schnell kann ein Reaktor großen Schaden anrichten, MKS sich ausbreiten, Fluten das Land unter Wasser setzen. Und dann jammern wieder alle. Damit das nicht sein muss, findet man hier nützliche Anleitungen zum Anlegen eines Notvorrats.

Zusammenfassend kommentiert muss die Regierung wohl ziemliche Angst haben, dass ihr bei ihren wirklichen Aufgaben zu genau auf die Finger geschaut wird. Angstmacherei ist - das wissen wir ja nun nicht erst seit Moores Fahrenheit 911 - eine ziemlich dumme wie subversive Taktik. Peinlich.

BWL der Alltags

Eine aus meiner Sicht doppelt interessante Beobachtung betreffs des hiesigen Wirtschaftslebens ist die Tatsache, dass die Branchen (z.B. Fahrräder, IT) in einzelnen Vierteln oder entlang einzelner Straßen konzentriert sind, also Cluster bilden. Das scheint im Kleinen Sinn zu machen, wie auch im Großen - siehe Silicon Valley oder Route 128 in Boston (Viertel und Straße).

Dann aber ist zu beobachten, dass die Anbieter fast alle das gleich Angebot haben. Die Differenzierung findet vielleicht im High-End Bereich durch die Marken statt, aber am unteren Ende, beim IT-Zubehör beispielsweise, ist der eine Stand wie der andere. Die Idee, eine USP für das eigene Angebot zu haben, ist hier noch nicht durchgedrungen.

Nebenbei bemerkt bieten Straßenhändler (natürlich schwarze) Software auf der Straße an. Sie stehen nur wenige Meter entfernt in Sichtweite zueinander und bieten wiederum fast Identisches an. Wenn ich nun an ihnen vorbei gehe und wirklich jedem von ihnen bedeute, dass ich kein Interesse habe, werde ich trotzdem wieder angesprochen vom nächsten Händler (der gesehen hat, wie ich bei allen Kollegen abgewunken habe). Was ist also die Denke? Vielleicht, dass ich es mir innerhalb von zwei Sekunden doch anders überlegt habe? Oder dass ich lieber bei ihm kaufe, weil ich ihn sympathischer finde? Ich habe keine Ahnung.

Aber aufgepasst: Gerade habe ich in einem Film, der in Afrika spielt (ja, die gebrannten DVDs für einen Euro), den Satz gehört: Don´t think that just because I grew up without running water I´m stupid. Natürlich muss man recht stumpf sein, wenn man so denkt, aber auf einer höheren Ebene oder unbewusst sehe ich die Gefahr auch hier, wenn man die Menschen beobachtet. Nur weil sie im Vergleich zu uns einen sehr viel geringeren Lebensstandard haben, heisst das fast noch gar nichts. Trotzdem frage ich mich, warum der Lebensstandard so weit auseinander klafft.

A propos Lebensstandard: Das Wohnheim, in dem ich untergebracht bin, hat Zweierzimmer, ohne eigenes Bad. Es gibt Waschmaschinen, die nur kalt waschen und Klos, die eine Rinne mit Loch im Boden sind. Toilettenpapier sollte man sowieso immer selber mitbringen. Die Einrichtung ist verschlissen, die Wände offen und überall im Bad tropft es aus den Leitungen. Die Warm- und Kaltwasser-Leitungen in der Dusche habe ich auch noch nicht begriffen. Ich werde eine schematische Zeichnung des Verlaufs der Rohre anfertigen.

In zehn Jahren sieht es hier vielleicht anders aus, wenn das Haus noch steht. Schön, dass ich es noch so mitbekommen habe.

Frage zum Schluss: Gibt es bei den Chinesen Legasthenie? Ja, gibt es, aber ich weiß noch nicht, wie das dann aussieht.

Donnerstag, September 02, 2004

Starbucks und Brain Surgery

Da ich mir gestern ein Fahrrad gekauft habe (ca. 10 Euro), hat sich
mein Aktionsradius betraechtlich erweitert. Deshalb bin ich heute in
der Innenstadt gewesen und habe die lokale Starbucks Filiale
aufgesucht.

Es gibt genug Leute, die oeffentlich oder privat gegen diese Art der
Globalisierung protestieren. Das kann ich spaetestens jetzt nicht mehr
nachvollziehen. Hier ist es so, dass der Lebensstandart nicht
sonderlich hoch ist, was grundsaetzlich nicht zu beanstanden ist. Aber
hinter einem "Veil of Ignorance" wuerde sich niemand dafuer
entscheiden, so zu leben wie der Durchschnitts-Chinese. In einer
5,4-Millionen-Einwohner Stadt wie Nanjing geht es vielleicht noch.
Aber im Hinterland, Richtung Mongolei, sieht es sicherlich noch mal
anders aus.

Deshalb sehe ich Starbucks als outpost und Messlatte fuer das
(konsumorientierte) Niveau, welches China bestimmt in einigen
Jahrzehnten erreichen will. Und da sehe ich nichts Schlimmes dran.

Ausserdem bietet es eine informationstechnische Infrastruktur (sprich:
WLAN), die hier sonst nicht zu finden ist. Das wird man erst zu
schaetzen wissen, wenn man mal darauf verzichten musste. Und
schliesslich ist auch die deutsche Kultur an McDonald's und Starbucks
nicht zerbrochen. Also: fuer mich besteht hier kein Protestbedarf.
Ganz im Gegenteil...

Auf dem Weg durch die Stadt bin ich am Nanjing Brain Hospital
vorbeigekommen. Dabei habe ich mich bei der Kalkulation erwischt: Wenn
es so viele Menschen hier gibt, die nach unseren Massstaeben nicht
sehr gut ausgebildet ist und wo die Arbeitsteilung so hoch ist
(sprich: neue Arbeitskraefte schnell eingewiesen sind), muss es sich
schon oekonomisch lohnen, ein kaputtes Gehirn wieder zu reparieren.
Denn warum sollte man das tun, wenn es viel billiger ist, ein neues
Hirn anzustellen und damit das kaputte zu ersetzen? Mich wuerde also
interessieren, welche Bevoelkerungsgruppe hier behandelt wird.

Dadurch wird mir auch klarer, warum Konzepte wie Menschenrechte hier
einen anderen Stellenwert haben. Auch das wird im Westen oft moniert.
Aber wenn man hier lebt und in verantwortlicher Position
Entscheidungen treffen muss, die sich auch rechnen sollen, wird man
unweigerlich das Leben eines Menschen mit den Kosten fuer dessen
Erhaltung vergleichen und sich fuer das eine oder das andere
Entscheiden.

Das ist nach unseren Massstaeben nicht gut. Aber bei uns leben nur 80
Millionen Menschen und die oekonomische Rolle, die der Einzelne in
unserer Wirtschaft und Kultur spielt, ist ganz anders anzusetzen, als
hier.

Koordinaten

Für alle Leser mit Mitteilungsbedarf:

Meine aktuelle Adresse lautet

Nanjing Normal University
Nanshan Hotel
122 Ninghai Road
Nanjing 210097

Die Telefonnummer ist

0086-025-835 99 211

Der aktuelle Billig-Anbieter hat die 01071 (2 ct pro Minute), dann 01039 (2,1 ct pro Minute).

Unter Umständen geht mein tatsächlich immer grinsende japanischer Mitbewohner Imai ran. Ein bisschen Englisch versteht er.

Update:Adresse auf Chinesisch