Montag, August 30, 2004

Yue Lan

Heute Abend mit ich noch mal raus gegangen, da eigentlich der Feiertag Yue Lan (Feiertag des Hungrigen Geists) stattfinden soll. Leider habe ich zumindest auf den Straßen nichts dergleichen gesehen. Während des siebten Mondes glauben die Chinesen, dass die Tore zur Unterwelt geöffnet sind und hungrige Geister auf der Suche nach Nahrungsmitteln sind.

Im Gedenken an ihre Vorfahren zünden die Familien Räucherstäbchen an und bieten ihnen Essen an, um Unglück abzuwenden. Darüber hinaus werden Gegenstände verbrannt, die den Geistern ein komfortableres ´Leben´ ermöglichen sollen; dabei handelt es sich auch um Falschgeld, welches extra zu diesem Zweck hergestellt und gekauft wird. Nach fünfzehn Tagen ist alles vorbei und die Geister kehren zurück, wo sie hergekommen sind.



Aber ich habe auch tagsüber nichts von irgendwelchen Vorbereitungen mitbekommen. Normalerweise sind die Leute immer erwartungsfroh, wenn sie offiziell was feiern sollen. War aber nicht der Fall und auch Falschgeld habe ich nicht gesehen (hoffe ich). Möglicherweise feiert man es hier nicht oder nur im Familienkreis.

Dafür habe ich en passant herausgefunden, dass die Friseursalons nachts ihre Funktion wechseln. Das war mal wieder was für meine schwachen Nerven und empfindliches Moralempfinden, wie ihr euch denken könnt.

Gartner's Hype Cycle

Ich liebe Diagramme und Kurven, die das Leben leichter und erklärbarer machen. Beispielsweise den Hype Cycle von Gartner Research. Es ist ganz interessant, die verschiedenen neuen und neueren Technologien dort aufzutragen.



PS: Zum Thema Geld verdienen in China - die Kurven verlaufen im Vergleich zu Europa und Amerika sicherlich zeitlich verschoben und ein internationaler BWL-Student kann sicherlich ´gaps´ ausmachen, die den richtigen Export- und Produktionszeitpunkt erkennbar machen.

Fernost-Touristen-Bingo

So - ich fühle mich wie in einem Strategie-Computer-Spiel. Erstmal gibt es auf der Karte einen kleinen sichtbaren Ausschnitt: Die Stelle, wo man ausgesetzt wurde. Je weiter man sich von dort fortbewegt, um so größer wird die sichtbare Fläche und das Schwarz weicht zurück; zwar langsam, dafür stetig.

Ich habe mich also zu Fuß immer weiter von meinem Raum gewagt und schon mal die wichtigsten touristischen "Stimmt also"- und "Da-sieht-man-mal"-Erlebnisse gehabt. Ich möchte sie mal in loser Reihenfolge aufzählen und habe sie visuell undokumentiert gelassen, da sie sowieso aus Reiseführern und vox-Reisemagazinen bekannt sind:

- Fährräder und daraus zusammengesetzte Verkehrsmittel in allen Variationen und Mengen sowie mit allen nur erdenklichen Beladungen.
- Die sprichwörtlichen "Gegensätze zwischen Arm und Reich" (wird in die Touristen-Etymologie-Sammlung aufgenommen); dargestellt am Beispiel von Garküchen und Wohn-Kaschemmen, an denen der Transrapid (hier: Maglev; der Name lässt eher auf eine chinesisch-französische als chinesich-deutsche Kooperation denken) vorbeirauscht.
- Hühner und sonstige eher ungewohnte Lebensmittel in besagten Garküchen ausliegend.
- Herrschaften, die einem Uhren und sonstiges West-Gedöns andrehen wollen (´Xiexie´).
- Niedliche chinesische Kinder ("Biewel"), die einen erfreut anlachen; wahrscheinlich, weil man so lustig aussieht.
- Billigste Preise, wohin man schaut (ich denke die ganze Zeit: wie kann ich in diesem Land mit diesen Leuten Geld verdienen?; wäre doch dumm, wenn man die Kostenvorteile hier nicht nutzen würde. Vorschläge oder unbefriedigte Konsum-Bedürfnisse eurerseits?).

Ihr seht, einen beträchtlichen Teil der Kästchen habe ich auf meiner Bingo-Karte bereits abhaken können. Einige Dinge, die man erwartet, lassen jedoch auf sich warten. Z.B. habe ich erst ca. einen Chinesen gesehen, der herzhaft auf den Bürgersteig gerotzt hat. Scheint also doch keine so verbreitete Sitte zu sein. Allerdings - so sagte die herzige Amerikanerin, deren Bekanntschaft mir der Flug nach Dubai verschafft hat - spricht man hier vom sog. ´Dragon of the Morning´. Da ich in der Früh meistens noch geschlafen habe (oder heute: eingeschlafen bin), kann es sein, dass ich dieses Spektakel verpasst habe. Jedenfalls waren die Bürgersteige wieder trocken, als ich losgegangen bin.

Was ich ebenfalls nicht gesehen habe, sind die Seidenblusen, die man in unseren heimischen Asia-Läden als typische chinesische Tracht erwerben kann (mit Steh-Kragen, wohlbemerkt). Vielleicht trägt man sie woanders oder zu anderen Zeiten, jedoch nicht hier und jetzt. Bekleidungstechnisch bieten sich dem Durchschnittsbürger dieser Gegend noch nicht so viele Ausdrucksmöglichkeiten der eigenen Persönlichkeit, bzw. dem, was man dafür hält. Diejenigen, die anders aussehen, sind entweder Geschäftsleute oder Erinnern mit ihren T-Shirts an das Schaffen der New York Mets oder daran, dass von Dutch gerade unheimlich viel Kohle macht (leider nicht mit ihnen).

An nennenswerten Sehenswürdigkeiten habe ich noch nicht so viel zu bieten. Ich finde den Alltag noch bestaunenswert genug. Deswegen habe ich mich ziellos vage Richtung Bund bewegt. Als ich mir überlegt habe, mal wieder zurück zu gehen und deshalb - meinem soliden Orientierungssinn folgend - rechts abbog, stand ich schon fast wieder vor meiner Haustür. So kann´s gehen. Vielleicht wäre ein Blick auf die Karte doch nicht schlecht gewesen (an dieser Stelle sei euch gedankt, die ihr mir den Reiseführer zum Geburtstag geschenkt habt).

Als ich vor einem Messegebäude ein Plakat sah, das eine deutsche Textilmesse verhieß, dachte ich (gemäß der einen Zeile aus T. Gerhards Ballermann-Film, der seine Entstehung rechtfertig): "Endlich normale Leute" - aber leider geht die erst morgen los...

Sonntag, August 29, 2004

Perfektion in der Werbung

Passend zur vorigen Anmerkung über die Werbung hier in China bin ich auf die Meinung von JvM dazu gestoßen:

"Faszination beginnt dort, wo die heile Werbewelt aufhört. Erst menschliche Schwächen machen einen TV-Spot merkfähig. Weil Perfektion austauschbar ist und innerhalb der Werbung weder differenziert noch reizt. Weil Perfektion schlicht und einfach langweilt."

Dabei muss man sagen, dass für uns Europäer die Faszination dort beginnt, wo die heile Werbewelt aufhört. So viel ich mitbekomme, beginnt und endet sie für den chinesischen Verbraucher genau dort. Die Frage ist nun, ob das mit der noch geringen Erfahrung als Konsument und Werberezipient oder mit der Mentalität zu tun hat. Ich tippe auf Ersteres.

Medien in China

Wir sehen und hören in Europa zwar meistens Schrott, aber wenigsten können wir uns aussuchen, welchen Schrott wir sehen. Zumindest hier im Studenten-Hotel gibt es nur das staatliche Fernsehen und das setzt sich vor allem aus diesen Elementen zusammen:

1. Sozial-Dramen, gegen die GZSZ eine hochprofessionelle und schauspielerisch anspruchsvolle Produktion ist, die ausgezeichnet gehört.
2. Groß-Veranstaltungen, in denen stets ganz viele Leute synchronisierte Bewegungen machen und eine Menge Proklamationen gemacht werden (vielleicht wäre es spannender, wenn ich mehr verstehen würde).
3. Herzblatt
4. Aus aktuellem Anlass: Endlos-Schleifen mit dem Sieg der chinesichen Volleyball-Mannschaft gegen Russland, gerne auch mit Streichern unterlegt und in Zeitlupe. Alternativ: Endlos-Schleife des Gold-Sieges im Turmspringen.
5. Werbung für West-Produkte, die das Leben endlich lebenswert machen und nach deren Konsum man ein echt toller Typ ist. Vom Aufbau wie bei uns vor einigen Jahrzehnten.

Wem das alles zu kritisch war, der sei erinnert, dass es hier nur um den Ausschnitt medialer Versorgung geht, den ich bislang erlebt habe. Zusammen mit der Tatsache, dass Blogs hinter dem nationalen Firewall bleiben, bin ich also mit diesem Teilaspekt fernöstlichen Lebens nicht so zufrieden.

Exkurs: Der Vergleich zu Dubai lehrt, wie man aus den verbotenen medialen Angeboten die Einstellungen und Werte eines Landes herauslesen kann - in Dubai kann ich nicht bild.de lesen, weil die Inhalte nicht mit den Werten des Emirats übereinstimmen. Dafür ist Bloggen kein Problem. In China: vice versa. In Deutschland: Wer kann´s wissen; vielleicht gibt es bei uns auch einen Firewall...?

Ansonsten habe ich den ersten Tag gut bestanden. Ich kehre zurück zu den ersten Tagen meiner Selbständigkeit, während derer ich mich gefreut habe, alleine Einkaufen zu können und nach Hause zurück zu finden. Aber das ist doch schon mal was wert und ich bin froh, hier sein zu können. Morgen fahre ich ins mehr zentrale Shanghai.

Samstag, August 28, 2004

Von jetzt an aus dem Reich der Mitte

Anscheinend ist es doch möglich, Beiträge zu posten; aber anschauen kann ich sie leider nicht. Wenn sich also herausstellt, dass ihr in der ´freien Welt´ Zugriff habt, kann ich doch diesen Kommunikationskanal nutzen. Vieleicht werden Kommetare via RSS für mich sichtbar.

Mehr später!

Dienstag, August 24, 2004

Gmail-Account

Wenn einer unserer Leser an einem Gmail-Account interessiert ist - bitte bei mir melden; ich kann gerade jemanden ´inviten´.

Montag, August 23, 2004

Hey Apple, Don't Break My iPod!, Teil II

Da Eigenlob stinkt, wollen wir uns lieber selbst beweihräuchern: Während wir über Real´s Petition gegen Apple bereits am 17. August berichteten (s.u.), tat das Forbes erst am 20. Das macht einen Blog-Vorsprung von drei Tagen!

Aber - zugegebenermaßen - der Beitrag von Forbes ist natürlich insgesamt betrachtet professioneller und gehaltvoller. Wahrscheinlich haben wir damit schon ein Vorteil/Nachteil-Paar von Blogs vs. herkömmlicher Presse identifizieren können.

Wir sind das Volk, Teil II

Offenbar fühlt sich das deutsche Volk angesprochen, wenn es von Bild.de ein Produkt angeboten bekommt. Nähreres dazu im Fachblatt w&v.

Freitag, August 20, 2004

The Truth in Advertising

Was freue ich mich schon auf die Zeit nach dem Studium - auf Besprechungen, Power Points und Telefonate rund um die Uhr und die ganze Woche. Das wird lustig.

Schneller Internetzugang und Quicktime 4 benötigt.

Dienstag, August 17, 2004

Hey Apple, Don't Break My iPod!

Real Networks hat eine tolle Petition gestartet, um Apple (1984) davon abzuhalten, Musik für den iPod nur via iTunes verfügbar zu machen. Der Schuss ist leider nach hinten losgegangen, wie die abgegebenen Stimmen vermuten lassen.

"Nice try, Real, keep on playing. Apple isn´t perfect, but it rulez!"

Montag, August 16, 2004

Nur noch 19 Wochen bis Weihnachten

Jetzt schon mal an Geschenke denken!

Hinnerk

Ohne sonstige Intention oder Aussage an dieser Stelle: Aber irgendwie belustigend und arg konstruiert finde ich einige der Aktivitäten schon - besonders auch die gelungenen Wortspiele à la "Gaymeboys". Ließt sich wie das um Launigkeit bemühte Programm des Sommer-Ferienpasses gemischt mit bestem asta-Kampfvokabular. Zur Auslebung des eigenen Stereotyps wird ins "Café Stößchen" geladen. (Ich fürchte, ich bin doch eine Spur tendentiell geworden)

Dienstag, August 10, 2004

Firmen-Etymologie

Wenn ihr euch schon immer mal gefragt habt Diese Worte als Textbeginn sind gar gräulich. Deshalb spare ich mir das und weise darauf hin, dass es bei Wikipedia eine Liste mit den Bedeutungen einiger Firmen einzusehen gibt, z.B. Adobe oder Atari.

Nochmal zurück zum schlechten Deutsch des Anfangs: Wer seine Sprache stilistisch verbessern will, kann sich hier Anleitung holen (pdf Datei).

Sonntag, August 08, 2004

Welt mit Werbung

Da wir nun mit Sicherheit sagen können, dass Werbung selbst im Amazonas-Gebiet nicht wegdenkbar ist, arrangieren wir uns lieber mit ihr.

Daher im link dump des heutigen Tages das Werbewunderland - ein Werbetexter blogt.

André Kemper und Michael Trautmann gründen eine neue Agentur in Hamburg. Vielleicht hat Anne mehr Ahnung und kann uns was erzählen; auf jeden Fall schnell querlesen bei der FTD.

Wenn der Rezipienten-Nutzen offensichlich ist, die ganze Geschichte auch nicht auf die Nerven geht und hübsch ausschaut, finde ich Marketing auch gut. Z.B. die Mixed Tapes von Mercedes-Benz.

Und als Abfallprodukt der Recherche-Arbeit: Wer wird gerade in der Absatzwirtschaft mit einer Kolumne gefeatured? Richtig, unser Hombes, der beste Deutsche und drittbeste Europäer der Professoren-Weltrangliste der AMA.

Schließlich bin ich auf IT&W gestoßen. Auch für Mac-Nutzer gibt´s eine Sektion.

Freitag, August 06, 2004

Aussen hui, innen pfui!

Heute wollen wir uns dem schönen Schein widmen. In manchen Fällen - hier vor allem in der Arbeitswelt - ist die beschönigende Hülle jedoch so dünn, dass die Wahrheit meistens ordentlich durchstinkt. Bei den Berufsbezeihnungen fallen mir gleich die Klassiker ein: Raumpflegerin, Office Assistance, etc.

Folgend besonders freche Irreführungen:

Rackjobber - hierbei handelt es sich um die ehrenvolle Aufgabe, stundenweise die Regale im Supermarkt wiederaufzufüllen.

Stewarding - eine tolle Bezeichnung, die Aufgaben sind natürlich weniger toll.

Marlboro Summer Jobbing - ein wahrhaftiges Füllhorn an böswilligen Irreführungen. Ich erinnere pars pro toto an "Fence-Building". Zu deutsch Zaun-Bauen und ich glaube, dass diese Aktivität in Utah nicht mehr Abenteuer verspricht, als in Bottrop oder Kaihude. (Andererseits hängt das wiederum davon ab, was unter Abenteuer zu verstehen ist. Ächz!)

Ich werde diese Liste auf dem Laufenden halten. Meinerseits lauert hier Unterhaltungpotential und lernen kann man auch was.