Donnerstag, September 02, 2004

Starbucks und Brain Surgery

Da ich mir gestern ein Fahrrad gekauft habe (ca. 10 Euro), hat sich
mein Aktionsradius betraechtlich erweitert. Deshalb bin ich heute in
der Innenstadt gewesen und habe die lokale Starbucks Filiale
aufgesucht.

Es gibt genug Leute, die oeffentlich oder privat gegen diese Art der
Globalisierung protestieren. Das kann ich spaetestens jetzt nicht mehr
nachvollziehen. Hier ist es so, dass der Lebensstandart nicht
sonderlich hoch ist, was grundsaetzlich nicht zu beanstanden ist. Aber
hinter einem "Veil of Ignorance" wuerde sich niemand dafuer
entscheiden, so zu leben wie der Durchschnitts-Chinese. In einer
5,4-Millionen-Einwohner Stadt wie Nanjing geht es vielleicht noch.
Aber im Hinterland, Richtung Mongolei, sieht es sicherlich noch mal
anders aus.

Deshalb sehe ich Starbucks als outpost und Messlatte fuer das
(konsumorientierte) Niveau, welches China bestimmt in einigen
Jahrzehnten erreichen will. Und da sehe ich nichts Schlimmes dran.

Ausserdem bietet es eine informationstechnische Infrastruktur (sprich:
WLAN), die hier sonst nicht zu finden ist. Das wird man erst zu
schaetzen wissen, wenn man mal darauf verzichten musste. Und
schliesslich ist auch die deutsche Kultur an McDonald's und Starbucks
nicht zerbrochen. Also: fuer mich besteht hier kein Protestbedarf.
Ganz im Gegenteil...

Auf dem Weg durch die Stadt bin ich am Nanjing Brain Hospital
vorbeigekommen. Dabei habe ich mich bei der Kalkulation erwischt: Wenn
es so viele Menschen hier gibt, die nach unseren Massstaeben nicht
sehr gut ausgebildet ist und wo die Arbeitsteilung so hoch ist
(sprich: neue Arbeitskraefte schnell eingewiesen sind), muss es sich
schon oekonomisch lohnen, ein kaputtes Gehirn wieder zu reparieren.
Denn warum sollte man das tun, wenn es viel billiger ist, ein neues
Hirn anzustellen und damit das kaputte zu ersetzen? Mich wuerde also
interessieren, welche Bevoelkerungsgruppe hier behandelt wird.

Dadurch wird mir auch klarer, warum Konzepte wie Menschenrechte hier
einen anderen Stellenwert haben. Auch das wird im Westen oft moniert.
Aber wenn man hier lebt und in verantwortlicher Position
Entscheidungen treffen muss, die sich auch rechnen sollen, wird man
unweigerlich das Leben eines Menschen mit den Kosten fuer dessen
Erhaltung vergleichen und sich fuer das eine oder das andere
Entscheiden.

Das ist nach unseren Massstaeben nicht gut. Aber bei uns leben nur 80
Millionen Menschen und die oekonomische Rolle, die der Einzelne in
unserer Wirtschaft und Kultur spielt, ist ganz anders anzusetzen, als
hier.

Keine Kommentare: