Freitag, September 03, 2004

BWL der Alltags

Eine aus meiner Sicht doppelt interessante Beobachtung betreffs des hiesigen Wirtschaftslebens ist die Tatsache, dass die Branchen (z.B. Fahrräder, IT) in einzelnen Vierteln oder entlang einzelner Straßen konzentriert sind, also Cluster bilden. Das scheint im Kleinen Sinn zu machen, wie auch im Großen - siehe Silicon Valley oder Route 128 in Boston (Viertel und Straße).

Dann aber ist zu beobachten, dass die Anbieter fast alle das gleich Angebot haben. Die Differenzierung findet vielleicht im High-End Bereich durch die Marken statt, aber am unteren Ende, beim IT-Zubehör beispielsweise, ist der eine Stand wie der andere. Die Idee, eine USP für das eigene Angebot zu haben, ist hier noch nicht durchgedrungen.

Nebenbei bemerkt bieten Straßenhändler (natürlich schwarze) Software auf der Straße an. Sie stehen nur wenige Meter entfernt in Sichtweite zueinander und bieten wiederum fast Identisches an. Wenn ich nun an ihnen vorbei gehe und wirklich jedem von ihnen bedeute, dass ich kein Interesse habe, werde ich trotzdem wieder angesprochen vom nächsten Händler (der gesehen hat, wie ich bei allen Kollegen abgewunken habe). Was ist also die Denke? Vielleicht, dass ich es mir innerhalb von zwei Sekunden doch anders überlegt habe? Oder dass ich lieber bei ihm kaufe, weil ich ihn sympathischer finde? Ich habe keine Ahnung.

Aber aufgepasst: Gerade habe ich in einem Film, der in Afrika spielt (ja, die gebrannten DVDs für einen Euro), den Satz gehört: Don´t think that just because I grew up without running water I´m stupid. Natürlich muss man recht stumpf sein, wenn man so denkt, aber auf einer höheren Ebene oder unbewusst sehe ich die Gefahr auch hier, wenn man die Menschen beobachtet. Nur weil sie im Vergleich zu uns einen sehr viel geringeren Lebensstandard haben, heisst das fast noch gar nichts. Trotzdem frage ich mich, warum der Lebensstandard so weit auseinander klafft.

A propos Lebensstandard: Das Wohnheim, in dem ich untergebracht bin, hat Zweierzimmer, ohne eigenes Bad. Es gibt Waschmaschinen, die nur kalt waschen und Klos, die eine Rinne mit Loch im Boden sind. Toilettenpapier sollte man sowieso immer selber mitbringen. Die Einrichtung ist verschlissen, die Wände offen und überall im Bad tropft es aus den Leitungen. Die Warm- und Kaltwasser-Leitungen in der Dusche habe ich auch noch nicht begriffen. Ich werde eine schematische Zeichnung des Verlaufs der Rohre anfertigen.

In zehn Jahren sieht es hier vielleicht anders aus, wenn das Haus noch steht. Schön, dass ich es noch so mitbekommen habe.

Frage zum Schluss: Gibt es bei den Chinesen Legasthenie? Ja, gibt es, aber ich weiß noch nicht, wie das dann aussieht.

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